Als Frau Wolf den Kindern Klaviere kaufte
(Lausitzer Rundschau vom 03.03.2001)

 

Krayne – eine am Rande gelegene Rodungssiedlung / Ein kleines Dorf bietet dem Gast jede Menge Entdeckenswertes

Da hat sich seit der Ersterwähnung 1465 kaum etwas geändert: Krayne ist ein sauberes Dorf. Die neuen Häuser bilden kein buntes Durcheinander, sie sind eingefügt ins dörfliche Bild. Bestimmend sind Gutshaus und Schloß geblieben.

Die Teiche laden zu jeder Jahreszeit zu einer Wanderung ein. Wer den Weg nach Groß Drewitz noch nicht entlang gewandert ist, der kennt die schönste Landschaft des Gubener Raumes nicht.

Autorität des Dorfes

Am Dorfende wohnt Herr Krause, Jahrgang 1932, und achtet darauf, dass unbedachte Kraftfahrer nicht unerlaubt den Radweg benutzen. Aber auch Forstleute oder Reiter müssen mit ihm rechnen. Der sympathische Herr ist nicht nur eine Autorität bei der Feuerwehr des Dorfes. Er ist ein Kenner der Dorfgeschichte, weiß auch vom Elend im Dorf zu berichten, von abgeholten Männern – auch seinem Vater - , die über Guben nach Jamlitz, Ketschendorf und Posen kamen. Das war 1945.

Ich suche meinen Weg nach Krayne (Crayne 1588 und 1621, Crayn 1718) über die alte Poststraße. Der Weg ist aufgeweicht, Forstpferde oder Reiter haben ihn zerwühlt. Der Frühling wirkt gespenstisch, die Rehe wechseln über meinen Weg. Kohlraben balzen. Aber die Luft ist sauber und angenehm.

Dann gabelt sich der Weg an einer Brücke. Eine urige alte Kiefer beeindruckt. Auf einer Tafel ist zu lesen: "Hier in der Kupfermühle lebte um 1820 eine Familie Koch: Laut Kirchenbuch wurde hier am 14. August 1819 Joh. August zweites uneheliches Kind geboren: Name der Kindesmutter: Katinka Mariea Koch. Die Mutter diente in Guben und hieß Charlotte Koch aus Strega, Schulmeisters Tochter. Dieses zweite uneheliche Kind war Anlass zu erheblichen Familienstreitigkeiten."

Welche Probleme das waren, wird keiner mehr erfahren. Das Kirchenbuch sagt nichts darüber aus, und Legenden gibt es dazu auch nicht. Alfred Appelt, der Heimatfreund aus Lauschütz, hat diese Tafel aufgehängt.

Die Mühle ist durch Blitzschläge zerstört, sie malte einst Hirse und Buchweizen.

Die Teiche sind jetzt abgelassen. Die Peitzer Fischer bewirtschaften sie.

Mein Ziel sind Gutshaus und Schloß. Der einst zusammengehörige Besitz wurde 1902 aufgeteilt, es verblieb ein Restgut.

Crayne gehörte als Vasallendorf zur Herrschaft Pförten, gehörte den von Petersdorf, von Bomsdorf, Von Kelkreuth im 17. Jahrhundert, dann den von Carpento, von Oppen, von Pflug, von Metzradt, von Winterfeld im 18. Jahrhundert.

Das Gutshaus, ein schöner Bau mit Walmdach, einer kleinen Freitreppe und über ihr das Wappen derer von Kracht und von Rex, der Park mit hohen Rotbuchen, einem Teich und dem Gedächtnisstein des Carl-Otto Gehrckens, "Dem besten besten Sohn und Kameraden, eines ritterlichen deutschen Menschen von selten vornehmer Denkungsart". Der Stein erinnert an Frau Wolfs Sohn aus erster Ehe, der 1944 18jährig in Luxemburg gefallen ist.

Feierliches Geleit

Das große Wirtschaftsgebäude ist heute zum Teil im Besitz der Feuerwehr. Auch die Gutsglocke von 1919 wurde von der Feuerwehr umgesetzt – bronziert und im feierlichen Geleit zum neuen Stand gebracht. Der Dorfälteste Kurt Barthke übergab sie läutend der neuen Bestimmung. Da blieb bei den anwesenden Dorfbewohnern kein Auge trocken.

Die Krayner feiern gern: Fastnacht, Osterfeuer, Sonnenwende, Einweihungen, Feuerwehrausscheide ....

Seit 1817 hat das Gut bürgerliche Besitzer, die wechselten oft. Zuletzt dem Fabrikanten Wolf.

Die Wolfs: A. Wolf, geborene Guenther, geboren am 30. Januar 1902 in Birkenberge, gestorben am 26. Oktober 1978. Ihr Mann lebte von 1900 bis 1971. Ihre Ruhestätte befindet sich auf dem Krayner Friedhof. Und ganz in ihrer Nähe erinnert ein Stein an zwölf Soldaten, die in den Märztagen 1945 hier im Gubener Raum gefallen sind.

Eingepfarrt ist Krayne nach Grano. An der dortigen Kirche erinnert eine gusseiserne Grabplatte an Heinrich August Gottlob von Rex, Gerichtsherr auf Crayne, der von 1745 bis 1804 lebte. Einen tollen Spruch hat er bekommen: "Ach! Sein Name bleibt uns heilig, unvergesslich was er tat! Heil dem, der so frei und redlich seine Pflicht erfüllt hat!"

Die große Flucht

Beeindruckend dagegen ist das Wirken von Frau Wolf. Die Wolfs hatten bis 1945 auf dem Gut kaum gelebt. Dann begann die große Flucht und Vertreibung östlich der Oder und der Neiße. Flüchtlinge wurden im Gutshaus untergebracht, dann war es Kinderheim. Der Zauberer Burelli (Schneider Kritsch) wurde von Frau Wolf entdeckt und bekam 1949 von ihr seinen ersten Zauberkasten. Später war das Gutshaus HO-Schule. Seit dem 15. Januar 1962 ist es Altersheims, bis heute, mit zirka 25 Senioren. Das Durchschnittsalter liegt bei 70 Jahren.

Das Haus – 1780 erbaut – verlor durch Anbauten seinen schönen Stil. Aber so war die Zeit eben. Die Wolfs wurden Angestellte. Frau Kunschke, auch Flüchtlingskind, war ihre Kollegin und kannte die beiden sehr gut. Und im Dorf weiß man von Frau Wolf: Fast jedes Kind hier wurde ihr Patenkind.

Zehn Mark zum Sparen

So auch Helmut Lehmann, der es 1948 wurde und zehn Mark auf das Sparbuch bekam. Für andere Kinder kaufte Frau Wolf in Guben Klaviere. So ein Klavier kostete immerhin 200 Mark. Und allein acht Kinder kann mir Frau Kunschke aufzählen, die eins bekamen. Manch Klavier landete in der Scheune, manch Klavier steht heute noch in einer Wohnstube. So auch beim Malermeister und derzeitigem Bürgermeister Bursch, dessen Frau Ramona es einst geschenkt bekam. Frau Bursch und ihre Tochter singen heute im Gubener Kirchenchor.

Über Frau Wolf gibt es viele Geschichten, so diese: Wenn Frau Wolf mit dem Auto in Guben war, dann galten für sie eigene Verkehrsregeln, das heißt, die hatte immer Vorfahrt .....
Die älteren Gubener kennen bestimmt noch viele Geschichten dieses lieben Originals.

Sinnvoll eingebunden

Das gesellschaftliche Leben im Dorf gestaltet sich in erster Linie die Feuerwehr. Der erfahrene Rudi Krause wird vom Ortsvorsteher Jürgen Bursch und zirka 40 Männern und Frauen der Wehr kräftig unterstützt. Auch die Jugend ist hier sinnvoll eingebunden.

Das Schloß ist 1817 von einem Franzosen erbaut worden. Der Mittelteil des Gebäudes wurde später durch zwei Flügel erweitert. Das Gebäude wird derzeit saniert. Ob im Schloß Wohnungen entstehen, ob der Saal erhalten bleibt ? Der Denkmalschutz stellt an den neuen Besitzer hohe Forderungen, zu hohe vielleicht ?

Im Jahr 1777 gab es in Crayne fünf Gärtner, sieben Häusler, das Hirtenhaus, das Schäferhaus, die Schänke und eine Wassermühle. Im Jahr 1939 lebten im Dorf 114 Einwohner. Seit Kriegsende hat sich mancher Flüchtling hier angesiedelt, Häuslebauer kamen hinzu. Von den 160 Einwohnern leben nur sehr wenige von der Landwirtschaft.

Krayne ist eine starke Dorfgemeinschaft.

 

Hans-Joachim Bergmann

Lausitzer Rundschau vom 03.03.2001, Seite 17

korrigiert von H. Krause
 


mehr über Annelotte Wolf gibt es in ihrer Biographie:
"Ein Herz für andere - Das Leben der Annelotte Wolf"
von Hartmut Schatte, erschienen 2005 im REGIA-Verlag
ISBN: 3-937899-11-1